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Fachanwältin für Strafrecht

Beschluss vom 3. Dezember 2013

4 StR 404/13

Fehler bei der Bildung der Gesamtstrafe

wegen zu 1.: räuberischer Erpressung u.a.

zu 2.: Erpressung

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 3. Dezember 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 21. Mai 2013 – soweit es ihn betrifft – im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

2. Auf die Revision des Angeklagten D. gegen das vor bezeichnete Urteil wird der ihn betreffende Strafausspruch dahin geändert, dass die Einbeziehung der Einzelfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 3. Mai 2012 entfällt und der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt ist, wovon ein Monat als vollstreckt gilt.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen räuberischer Erpressung und Erpressung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 20. Mai 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und angeordnet, dass von dieser Strafe ein Monat als vollstreckt gilt. Den Angeklagten D. hat es wegen Erpressung unter Einbeziehung der Einzelfreiheitsstrafen aus dem „Urteil des Landgerichts Essen vom 3. Mai 2012“ (richtig: Urteil des Amtsgerichts Marl vom 3. Mai 2012 in der Fassung des Urteils des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2012) und Auflösung der dortigen Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und angeordnet, dass ein Monat dieser Strafe als vollstreckt gilt. Die gegen diese Verurteilungen gerichteten, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revisionen der Angeklagten haben den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen sind sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Bildung der Gesamtstrafe bei dem Angeklagten B. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht die Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 20. Mai 2011 nach § 55 Abs. 1 StGB einbezogen hat.

Der Einbeziehung dieser wegen eines am 8. Juli 2008 begangenen schweren Raubes verhängten und noch nicht erledigten Strafe steht entgegen, dass aus ihr und den ebenfalls noch nicht erledigten, untereinander gesamtstrafenfähigen (Einzel-)Strafen aus den rechtskräftigen Urteilen der Amtsgerichte Marl vom 26. Oktober 2009 und Gelsenkirchen-Buer vom 16. Februar 2010 durch Beschluss nach § 460 StPO nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ist.

Dies hat zur Folge, dass nur das Urteil des Amtsgerichts Marl vom 26. Oktober 2009 eine Zäsur bilden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369, 370; Beschluss vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193). Die vom Landgericht abgeurteilten Taten des Angeklagten B. wurden nach der zäsurbildenden Verurteilung durch das Amtsgericht Marl, nämlich zwischen dem 5. Oktober 2010 und dem 17. Mai 2011 begangen.

2. Die gegen den Angeklagten D. festgesetzte Gesamtstrafe kann keinen Bestand haben, weil die Einbeziehung der beiden noch nicht erledigten Einzelfreiheitsstrafen von drei und vier Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Marl vom 3. Mai 2012 in der Fassung des Urteils des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2012 (im Tenor unzutreffend als Urteil des Landgerichts Essen vom 3. Mai 2012 bezeichnet) rechtlichen Bedenken begegnet.

Zwar hat das erkennende Gericht grundsätzlich nach § 55 Abs. 1 StGB nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Von diesem Grundsatz kann aber eine Ausnahme zu machen sein, wenn durch eine Einbeziehung die Gefahr einer verbotenen Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) begründet würde. Der Bundesgerichtshof hat deshalb entschieden, dass von der Einbeziehung rechtskräftiger Einzelstrafen abzusehen ist, die bereits in eine andere noch nicht rechtskräftige Verurteilung einbezogen wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1965 – 2 StR 387/65, BGHSt 20, 292, 293 f.) oder aus einem Verfahren stammen, in dem über die Gesamtstrafe noch nicht rechtskräftig entschieden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, NJW 2005, 3155).

Eine Gefahr der Doppelbestrafung besteht auch in dem hier zu entscheidenden Fall. Nach den Feststellungen wurde vom Landgericht Essen auf die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Marl vom 3. Mai 2012 aus den hier einbezogenen Einzelfreiheitsstrafen und zwei Einzelgeldstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Bochum vom 28. September 2011 nach § 55 Abs. 1 StGB eine Gesamtstrafe gebildet. Dies war unzulässig, weil die einbezogenen Geldstrafen mangels Rechtskraft für die Bildung einer Gesamt-strafe nach § 55 Abs. 1 StGB nicht zur Verfügung standen und infolge einer Verfahrensbeschränkung in der Revisionsinstanz weggefallen sind. Die Staatsanwaltschaft hat die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens beantragt, um die Bildung einer (neuen) Gesamtstrafe nur aus den hier einbezogenen Einzelstrafen zu erreichen. Über diesen Antrag war bei Verkündung des angefochtenen Urteils am 21. Mai 2013 noch nicht entschieden. Bliebe die hiesige Gesamtstrafe bestehen, bestünde die Gefahr, dass bei einem Erfolg des Wiederaufnahmeantrages der Staatsanwaltschaft die in die hiesige Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Marl in der Fassung des Landgerichts Essen ein weiteres Mal für die Bildung einer Gesamtstrafe herangezogen werden.

Die Gesamtstrafe war daher aufzuheben, sodass es bei der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgesetzten Einzelstrafe von acht Monaten Freiheitsstrafe verbleibt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht in diesem Fall eine andere Bewährungsentscheidung getroffen hätte. Nach dem Abschluss des Wiederaufnahmeverfahrens wird die zuständige Vollstreckungsbehörde zu prüfen haben, ob von Amts wegen ein Verfahren nach den §§ 460, 462 StPO einzuleiten ist.

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